Wachet und betet allezeit damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt. (Mt 21,36)
Liebe Ehrenamtliche unserer Pfarrgemeinde,
liebe Pfarrgemeinde!
Wir wenden uns heute in dieser Form an euch, um auf eine für unsere Pfarre neue Feier der Liturgie aufmerksam zu machen: die lange Nacht des Gebets an jedem ersten Freitag im Monat.
Am vergangenen ersten Adventsonntag rief uns Jesus im Evangelium zu, wachsam zu bleiben und allezeit zu beten, um vor den Herausforderungen des Alltags und den vielen unguten Zeichen der Zeit nicht in die Knie zu gehen.
Wahrscheinlich stellt sich manchem die Frage, ob Wachsamkeit und Gebet wirklich die richtigen Rezepte sind, mit den bedrohlichen Anzeichen unserer Zukunft umzugehen. Ist es nicht ein bisschen naiv und sogar arg fromm, sich in das Gebet „zu flüchten“, wenn im Zusammenleben der Streit immer stärker oder wenn eine nicht heilbare Krankheit festgestellt wird, wenn das Anzetteln von Kriegen und „militärischen Sonderoperationen“ von Erfolg gekrönt sind und die wirtschaftliche Situation vieler in Gefahr ist? In der gedanklichen Auseinandersetzung mit Fragen wie diesen gibt die folgende rabbinische Erzählung eine Antwort:
Ein junger Mann kam zu einem Rabbi mit der Frage: „Was kann ich tun, um die Welt zu retten?“ Der Weise antwortet: „So viel, wie du dazu beitragen kannst, dass morgens die Sonne auf-geht!“ – „Aber was nützen dann all meine Gebete und meine guten Taten, mein ganzes Engagement?“ fragt der junge Mann. „Sie helfen dir, wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht!“
Wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht! – Dieser Schlusssatz führt gedanklich zum Evangelium vom vergangenen ersten Adventsonntag zurück. Denn dort lesen wir auch, dass die Wachsamkeit und das Gebet die Kraft geben, sich vom Toben und Donnern in der Welt nicht lähmen und in Schreckstarre ver-setzen zu lassen. Vielmehr fänden wir im Gebet die Kraft, uns aufzurichten und mit erhobenem Haupt wahrzunehmen, dass inmitten der Herausforderungen der Herr auf uns zukommt. Er ist immer mit uns auf dem Weg, auch dann, wenn uns vieles in der Seele erschüttert und der menschliche Wahn-sinn fröhliche Urständ feiert.
Pilger der Hoffnung
Am 24. Dezember 2024 beginnt das Heilige Jahr. Es steht unter dem Leitwort „Pilger der Hoffnung“. Nichts ist wichtiger im Leben, als Hoffnung zu haben, ein Mensch ohne Hoffnung geht unter! Der letzte Satz der chassidischen Ge-schichte will aufzeigen, dass das Gebet hilft, wach zu sein, wenn die Sonne der Hoffnung aufgeht. Nichts ist betrüblicher, als wenn Menschen sich öff-nende Hoffnungszeichen verpassen, diese übersehen oder sich ihnen verschließen, weil sie in sich verkrümmt sind. Hoffnung richtet auf! Nur durch Hoffnung können wir unser Haupt und unseren Blick heben und das abschüt-teln, was uns lähmt und klein hält.
Lange Nacht des Gebets
Schon länger denken wir in unserer Pfarre darüber nach, wie wir diese Hoff-nung niederschwellig erfahrbar und zugänglich machen können. So entstand die Idee, an den Herz-Jesu-Freitagen, also an jedem ersten Freitag im Monat, in der St.-Josefs-Kirche eine lange Nacht des Gebets anzubieten. Die erste dieser Nächte findet statt am morgigen Freitag, 6. Dezember.
Nach der Messfeier um 19:00 Uhr bleibt die Kirche die ganze Nacht für das Gebet geöffnet. In ihr werden verschiedene Orte und Plätze gestaltet sein, die dazu einladen, Hoffnung zu erfahren. Ein Impuls um 20:20 Uhr ist inhaltlich gestaltet und hat den morgigen Tagesheiligen Nikolaus von Myra zum Thema. Der Rest von der Zeit steht für das persönliche Gebet zur Verfügung. Kurze Gebetsvorschläge, Möglichkeiten, selbst ein Gebet zu formulieren oder ein Anliegen aufzuschreiben oder einfach das Erleben einer stillen Kirche, er-hellt hauptsächlich von Kerzenlicht und eine unbeschreibliche, aber erlebbare Atmosphäre wird diese Nacht bieten.
Wir wissen, dass diese lange Nacht des Gebets kein Angebot für die Massen ist. Wir sind uns auch bewusst, dass die Nacht zum Schlafen da ist. Gleichzei-tig gibt es so viele Menschen, die aufgrund ihrer Sorgen und Nöte schlaflose Nächte verbringen. Auch an diese richtet sich unser neues Angebot. Anstatt der Flucht vor den Fernseher, zum Kühlschrank oder zu einer anderen Ablen-kung, kann der nächtliche Spaziergang zur St.-Josefs-Kirche und das Gebet in ihr zur Kraftquelle werden, aus der Hoffnung strömt.
Sinn dieser langen Nächte des Gebets
Wach sein, wenn die Sonne aufgeht, wach sein für die Zeichen der Hoffnung in unserem Alltag, wach sein, wenn viele andere gottlob ruhig schlafen, und sich auf diese Weise wie einst Jesus am Ölberg dem Vater im Himmel anzu-vertrauen – das ist ein Ziel dieser langen Nächte des Gebets. Die bitteren Kelche gehen dann zwar nicht immer vorüber, aber wir können sie anneh-men, aufgerichtet, mit vertrauendem Blick auf Jesus, der auf uns zukommt und immer mit uns auf dem Weg ist.
Zu dieser Erfahrung der Hoffnung laden wir herzlich ein, zum ersten Mal am 6. Dezember, dann am 3. Jänner, am 7. Februar und die folgenden ersten Freitage jedes Monats. Mögen diese Nächte ihre stärkende Kraft und Hoffnung für die Menschen in unserer Gemeinde und darüber hinaus entwickeln.
Pfr. Peter Loretz, Ewald Unterhofer und Pfr. Walter Juen
Rankweil, 5. Dezember 2024